Rebecca Krizak
stv. Redaktionsleiterin dpa-Kindernachrichten
Einordnung
Medienangebote
Zurück zur Übersicht

Was interessiert diejenigen, die sich bislang für nichts interessieren?

Ein Angebot, das man nicht ablehnen kann: Das ist unser Ziel. Im großen Kosmos von #UseTheNews befasst sich unsere Gruppe, der sogenannte „Themen-Track“, mit der Frage: Wie finden wir Themen, die auch Menschen überzeugen, die journalistische Angebote bislang nicht nutzen?

2022-07-20 — Rebecca Krizak

„Welche News sind dir heute schon begegnet, die interessant für dich waren?“ Diese Frage stellen wir den Schülerinnen und Schülern.

 

In der Wortwolke auf dem Bildschirm vor uns wird ein Wort immer größer: „keine“ steht da. Es ist die häufigste Antwort, die wir bei unserem virtuellen Besuch einer Berufsschulklasse in Rheinland-Pfalz bekommen haben. 

 

Was für Nachrichtenjournalisten und Nachrichtenjournalistinnen wie uns auf den ersten Blick frustrierend ist, ist jedoch genau das, wonach wir eigentlich suchen. Wir wollen mit denen in Kontakt kommen, die ein geringes Nachrichteninteresse haben. Wir interessieren uns also genau für die Menschen, die keine journalistischen Quellen zur Information nutzen und die dementsprechend kaum informiert sind. Das Leibniz-Institut für Medienforschung hat diese Gruppe die „Gering Informationsorientierten“ genannt, kurz: GIO. 

Unser Ziel

 

Was wir möchten: Herausbekommen, welche Themen diese Gruppe in klassischen Medien vermisst und Schlüsse ziehen, wie Redaktionen diese Themen häufiger und zielgruppengerecht in ihrem Angebot aufnehmen können. 

 

Um dem Ziel näher zu kommen, sichten wir zuerst die #UseTheNews-Studie sowie weitere Forschungsergebnisse. Anschließend entwickeln wir erste Themenideen und konkrete Vorschläge. Diese wollen wir mit zwei Berufsschulklassen testen und diskutieren. 

 

Ein Fragebogen zeigt uns: Die Schülerinnen und Schüler der beiden Klassen sind zwischen 16 und 31 Jahre alt. Die Gruppen sind sehr heterogen. Es gibt sowohl Schülerinnen und Schüler, die zu den „Gering Informationsorientierten“ gehören, als auch welche, die ein hohes Nachrichteninteresse mitbringen. 

 

Um mehr über mögliche Themen zu erfahren, stellen wir Vorschläge vor (Beispiel: „So soll Cannabis bald legal werden“, „Das will die Regierung gegen hohe Spritpreise tun“) und fragen auch nach eigenen Ideen. 

Unsere Schlussfolgerungen

 

Aus dieser Befragung der Klasse ergeben sich einige Schlussfolgerungen. Diese sind allerdings stichpunktartig zu verstehen, da sie sich auf die Angaben aus der Gruppe stützen und nicht unbedingt verallgemeinert werden können. 

 

Die Themen…

 

  • … müssen zum Leben passen: Bei Themen, die die Befragten interessieren, scheint es nicht darum zu gehen, etwas über ein Thema zu erfahren, von dem sie bisher noch wenig wussten (Beispiel: Palmöl). Die Themen müssen stattdessen genau in die Lebenswelt der Befragten passen. Wer beispielsweise auf Wohnungssuche ist, will etwas über die Lage auf dem Wohnungsmarkt erfahren. 

 

  • … sollen Servicecharakter haben: Sich mit einem Thema zu befassen, soll in der Regel einen Mehrwert für das eigene Leben haben. Einem Besuch von Angela Merkel in Rheinland-Pfalz wird kein Mehrwert beigemessen. Der Stand der Corona-Lockerungen, die Legalisierung von Cannabis oder Tipps für die Finanzierung eines eigenen Autos interessieren dagegen mehr. 

 

  • … sollen den Lebensstil nicht angreifen: Die Befragten haben kein Problem damit, sich auch mit negativen Dingen auseinanderzusetzen. Wenn diese Themen allerdings etwas mit ihrem persönlichen Verhalten zu tun haben, vermeiden sie die Auseinandersetzung häufig lieber. Beispiel: Palmöl („Wenn ich mir das anschaue, bekomme ich ein schlechtes Gewissen“) oder Datenschutz bei WhatsApp („Ich lese mir das nicht durch – wir wissen das Datenschutz nicht gut ist, aber wir nutzen trotzdem WhatsApp“)

 

  • … sollen positiver sein. Aus den Anregungen der Befragten ergibt sich der Wunsch, häufiger etwas über positive Themen zu erfahren. Besonders am Morgen zeigte sich, dass Nachrichten und die damit häufig verbundene Negativität als belastend empfunden werden.

Weitere Schritte

 

Wie geht es nun weiter? Aus unseren Besuchen in den beiden Klassen ergeben sich einige Rückschlüsse und Ideen. Auf den Seiten von NOZ / mh:n Medien haben wir bereits erste Artikel veröffentlicht, beispielsweise: „Schädlicher als Zigaretten? So gefährlich sind Shishas für Deine Gesundheit

 

Weitere Artikel sollten folgen. Doch wir brauchen auch noch ein noch tieferes Verständnis dafür, wie unsere Zielgruppe tickt. Um dort weiterzukommen, sind weitere Milieustudien wichtig, genau wie Interviews mit Lehrkräften und Fachleuten, die viel über die Lebenswelt der „Gering Informationsorientierten“ wissen. Auch mit ihnen selbst wollen wir natürlich weiter im Austausch bleiben. Über weitere Schulbesuche wollen wir unsere Erkenntnisse testen und überprüfen.

 

Doch was Redaktionen sich auch fragen müssen ist: Was machen sie mit den Erkenntnissen? Wenn ein neues Sneaker-Modell einer bestimmten Firma auf den Markt kommt, ist das für einen Teil der „Gering Informationsorientierten“ eine interessante News. Doch lässt sich das mit journalistischen Standards und den Ansprüchen der Redaktionen an ihr Angebot vereinbaren? Auch darauf müssen wir Antworten finden.