Forschungsüberblick April: So funktioniert Qualitätsjournalismus auf TikTok
Qualitätsmedien nutzen TikTok-spezifisches Storytelling, NGOs und politische Newsfluencer:innen sind wichtige Quellen für junge Menschen, und diese definieren "Nachrichten" auch anhand ihrer eigenen Bedürfnissen. Darum geht es in den Studien, die Leonie Wunderlich vom Leibniz-Institut für Medienforschung im April zusammengefasst hat.
Herausforderungen und Merkmale von Qualitätsjournalismus auf TikTok in Deutschland
Journalistische Anbieter versuchen auf TikTok ein junges Publikum zu erreichen. Wie gehen sie dabei vor? Ergebnisse einer Interviewstudie weisen darauf hin, dass sich deutsche Journalist:innen auf eine Mischung aus traditionellen journalistischen Standards und zuschauerbezogenen Nachrichtenwerten verlassen. Sie passen die Inhalte an die Plattform an, zum Beispiel durch die Übernahme von TikTok-spezifischem Storytelling mit ansprechenden Aufmachern, vereinfachten Erzählstilen und ansprechenden audiovisuellen Elementen. Im Rahmen der Studie wurden 22 Journalist:innen befragt, die bei führenden deutschsprachigen, überwiegend privaten Medien, die institutionellen TikTok-Accounts betreuen. Insgesamt gelten die Grundsätze von Qualitätsjournalismus auch auf TikTok: Am häufigsten nannten die Befragten journalistische Kernwerte wie Recherche, Genauigkeit, Relevanz und Unabhängigkeit auf TikTok. Etwas seltener betonten sie Unterhaltung, Nähe zu den realen Erfahrungen des Publikums und die Teilbarkeit von Inhalten.
Meinungsbildung: NGOs und politische Influencer:innen für unter 30-Jährige deutlich relevanter
Wenn es darum geht, sich eine eigene Meinung zu bilden, sind einzelne Persönlichkeiten und Personengruppen für viele Menschen als Quelle relevant. Am bedeutendsten für die Meinungsbildung sind Wissenschaftler:innen, journalistisch geleitete Redaktionen, freie Journalist:innen sowie der Familien- und Freundeskreis. Dabei gibt es große Unterschiede zwischen Altersgruppen: Für junge Erwachsene sind Nichtregierungsorganisationen (NGO), Aktivist:innen sowie politische Influencer:innen für die Meinungsbildung deutlich relevanter als für Ältere. Das zeigt die aktuelle Ausgabe des Info-Monitors der Medienanstalten. Die Datenbasis bildet eine Umfrage unter der deutschsprachigen Bevölkerung ab 14 Jahren (n = 3.507). Auch interessant: Jüngere Menschen und Personen mit formal hoher Bildung haben das höchste Vertrauen in etablierte Medien. Und von den etablierten Medien Überzeugte sind meist auch mit der Demokratie in Deutschland zufrieden.
Persönliche Bedürfnisse bestimmen Nachrichtenverständnis von Jugendlichen
Was gilt heutzutage als „Nachricht“ für junge Menschen? Mit dieser Frage haben sich zwei Forscherinnen beschäftigt und dazu Fokusgruppen mit australischen Jugendlichen zwischen 13 bis 17 Jahren geführt (n= 34). Ihre Ergebnisse zeigen, dass die Nachrichtendefinitionen der Jugendlichen zwar eine gewisse Grundlage in konventionellen journalistischen Definitionen haben, ihre „Nachrichten“ aber in ein breiteres Medienfeld hineinreichen. So verstehen und definieren die Teilnehmenden „news“ oft in Bezug auf sich selbst und als Erweiterung ihrer eigenen Bedürfnisse und Handlungsmöglichkeiten. Die Autorinnen schlussfolgern, dass diese individualistische Sichtweise von Nachrichten bezeichnend sei und auf die Bewältigungsmechanismen hinweise, die Jugendliche anzunehmen scheinen, um mit der Fülle des Angebots umzugehen. Insgesamt wird deutlich, dass Jugendliche einerseits ein großes Vertrauen in ihre Fähigkeiten haben, für sie relevante Nachrichten zu suchen und zu konsumieren. Andererseits aber bereitwillig zugeben, dass sie Schwierigkeiten haben, die Genauigkeit und Glaubwürdigkeit von Nachrichten und Nachrichtenquellen zu erkennen.