Forschungsüberblick Oktober: US-Politiker:innen tweeten öfter ihre Meinung und der TikTok-Algorithmus mag keine Nachrichten
„Believe-Speaking“ und „Fact-Speaking“ bei US-Politiker:innen, Instagram-Stories können Politikinteresse fördern und auf TikTok werden kaum Nachrichten ausgespielt – darum geht es im Forschungsüberblick für Oktober, den wieder Leonie Wunderlich vom Leibniz-Institut für Medienforschung geschrieben hat.
Verbreitung von Falschinformationen hängt mit Veränderung des Wahrheits-Verständnisses zusammen
Die Verbreitung von Fehlinformationen im politischen Diskurs hängt mit einem alternativen Verständnis von Wahrheit und Ehrlichkeit zusammen – diese Hypothese unterstützt eine aktuelle Beobachtungsstudie. So zeigt eine Analyse von 3,8 Millionen Twitter-Beiträgen von Mitgliedern des US-Kongresses zwischen 2011 und 2022, dass Politiker:innen beider Lager seit dem Wahlsieg Donald Trumps Ende 2016 verstärkt darauf setzen, anstelle von Fakten ihre Meinungen und Überzeugungen mitzuteilen. Die Forschenden nennen diese Art zu kommunizieren „Believe-Speaking“, das vom „Fact-Speaking“ zu unterscheiden sei. Beim Believe-Speaking verweisen republikanische Abgeordnete zunehmend auf Nachrichtenseiten von geringer Qualität. Beim Fact-Speaking, also dem Teilen von Informationen mit Fokus auf objektiv verifizierbare Fakten hingegen, verwiesen die Abgeordneten beider Parteien gleichermaßen auf Quellen hoher Qualität und Vertrauenswürdigkeit. Die Forschenden können zeigen, dass bei Republikanern - nicht aber bei Demokraten - eine Zunahme der Äußerung von Überzeugungen um zehn Prozent mit einem Rückgang der Qualität der in einem Tweet geteilten Quellen verbunden ist.
Instagram-Stories über Nachrichten können das Politikinteresse Jugendlicher fördern
Welche emotionalen, verhaltensbezogenen und kognitiven Reaktionen zeigen Jugendliche auf politische Nachrichten in Instagram-Stories? Dieser Frage sind zwei Forscherinnen in einem Feldexperiment unter 12- bis 18-Jährigen (N=149) in den Niederlanden nachgegangen. Die Befragten haben sieben Tage lang politische Nachrichten von fiktiven Nachrichtenorganisationen konsumiert: Sie erhielten entweder Stories mit einem Link zu einer Nachricht oder Stories mit einem Link zu einer Nachricht und interaktiven Feedback-Funktionen (d. h. Umfragen, Quiz-Sticker und Emoji-Schieberegler). Die Ergebnisse zeigen keine signifikanten Unterschiede in den affektiven, verhaltensbezogenen und kognitiven Reaktionen zwischen Jugendlichen, die Instagram-Stories mit hoher Interaktivität ausgesetzt waren, und denen, die einen Link zu einer Nachricht erhielten. Allerdings nahm das politische Interesse bei allen Befragten während des gesamten Experiments zu - unabhängig von der Interaktivität der Instagram-Stories. Die Forschenden schlussfolgern, dass das Schauen politischer Nachrichten über Instagram-Stories die Beschäftigung mit Politik und aktuellen Ereignissen bei Jugendlichen fördern kann.
Auf TikTok mangelt es an Algorithmus-basierten Nachrichtenempfehlungen
Der TikTok-Algorithmus trägt kaum dazu bei, dass Nutzer:innen auf der Plattform Nachrichteninhalte angezeigt bekommen. Das zeigt eine aktuelle Studie, in der das Potenzial für die algorithmische Exposition gegenüber Nachrichten auf TikTok untersucht wurde. Im Kontext des US-amerikanischen Nachrichtenpublikums haben die Forschenden Konten, die TikTok empfiehlt, die Videos, die es neuen Nutzenden zeigt und die aktuellen Hashtags analysiert. Die zwei Forscher haben fast keine Anzeichen für ein proaktives Ausspielen von Nachrichten durch den TikTok-Algorithmus gefunden. Vielmehr haben sie festgestellt, dass die Algorithmen von TikTok zwar leicht auf aktive Signale des Nachrichteninteresses von simulierten Nutzenden reagieren, dass diese Reaktion aber nicht zu einer erhöhten Exposition gegenüber glaubwürdigen Nachrichteninhalten führt. Die Ergebnisse der Studie stehen im Kontrast zu Umfragen, die ergeben, dass Nutzende über TikTok regelmäßig Nachrichten erhalten.