Milou Vollebregt
Redakteurin #UseTheNews Nederland
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Sophia Smith Galer: "Junge Menschen sind nicht unerreichbar – es gibt zu wenig zugängliche Inhalte"

Sophia Smith Galer ist eine britische freie Journalistin, die sich auf Inhalte für junge Menschen spezialisiert hat. Im Interview mit #UseTheNews Niederlande verrät sie, wie Journalismus für diese Zielgruppe zugänglicher wird und warum eine „Digital-First“-Mentalität so wichtig ist.

2024-02-29 — Milou Vollebregt

Sophia Smith Galer wurde mit 29 Jahren bereits mehrfach ausgezeichnet, u. a. bei den British Journalism Awards für die Innovation des Jahres 2021, und sie hat für VICE News und die BBC gearbeitet. Sie weiß also, wie man traditionellen Journalismus mit innovativen Ideen verbindet und jungen Menschen näherbringt.

 

Aber interessieren sich junge Menschen überhaupt noch für Nachrichten? „Auf jeden Fall, und nicht nur ein bisschen. Es ist nur so, dass sie im Vergleich zu älteren Generationen eine umfassendere Definition von Nachrichtenwert haben. Die Mainstream-Medien denken vielleicht, dass junge Menschen weniger interessiert sind, weil sie nicht auf ihre Plattformen kommen oder ihre Version von Nachrichten nicht schätzen. Aber junge Menschen haben einfach eine breitere Definition. Sie interessieren sich für andere Themen, zum Beispiel für soziale Gerechtigkeit”, sagt Galer.

 

Wie Informationen junge Menschen erreichen

 

Ihrer Meinung nach kann man anhand von Daten erkennen, wo Nachrichtenmedien Journalismus anbieten müssen, um junge Menschen zu erreichen. Seit über fünf Jahren zeigen diese, dass junge Menschen Nachrichten auf YouTube, TikTok und Instagram konsumieren. „Sie werden dort sehr gut durch Social Media Content Creators erreicht, aber nicht von den traditionellen Medien. Das hat nicht nur mit den Inhalten der Nachrichtenorganisationen zu tun, sondern auch damit, wie die Social-Media-Plattformen arbeiten. Traditionellen Nachrichten wird von den Plattformen keine Priorität eingeräumt. Und die Nachrichtenorganisationen sind darauf konditioniert, Nachrichten auf traditionelle Weise zu verbreiten. Content Creators haben dagegen viel mehr Freiheit, wie sie Informationen verbreiten", erklärt sie. 

 

Sophia Smith Galer spricht daher auch lieber von Informationen als von Nachrichten. „Wie kommen wir an Informationen? Heutzutage gibt es viele einzelne Content Creator ohne journalistische Erfahrung, die sehr gut darin sind, junge Menschen mit Nachrichten zu erreichen.“

 

„Wir müssen zugänglicher werden“

 

 

Junge Menschen werden oft als schwer erreichbare Zielgruppe angesehen, aber die Journalistin widerspricht. „Im Gesundheitswesen in England spricht man zum Beispiel von schwer erreichbaren Zielgruppen. Inzwischen wird dieser Begriff seltener verwendet, weil er die Zielgruppe als weit entfernt und schwierig abstempelt. Dabei ist es in Wirklichkeit die angebotene Dienstleistung, die nicht zugänglich ist.“

 

Dies gilt auch für den Journalismus. „Wir müssen zugänglicher werden.“ Denn wenn man keine Inhalte in den sozialen Medien poste, sei man „nicht zugänglich, weil junge Menschen ihre Informationen aus den sozialen Medien beziehen“, sagt sie.

 

Deshalb müssten die Nachrichtenorganisationen zu einer „Digital-First“-Mentalität übergehen. „Natürlich ist jede Organisation anders, aber traditionell lag der Schwerpunkt der Medien auf Print, Fernsehen oder Radio. Jetzt sollte man sich aufs Digitale konzentrieren, ohne dabei die traditionellen Plattformen aus den Augen zu verlieren. Denn auch diese bedienen noch immer ein Zielpublikum. Und innerhalb der Nachrichtenorganisationen sollten diejenigen, die innovativ sind und über Grenzen hinausgehen, mehr Anerkennung erhalten.“

 

 

Mut zu mehr Innovation ist altersunabhängig

 

Nachrichtenorganisationen, sagt sie, müssen Innovationsteams haben, in denen Scheitern eine Option ist. Es gebe zu viele Regeln und Innovation werde oft nicht genug gewürdigt. „Bei meiner jährlichen Leistungsbeurteilung musste ich einmal zeigen, wie ich in meinem Team innovativ tätig war. Ich war die Jüngste, und niemand sonst musste die gleichen Fragen beantworten. Ein innovativer Job ist oft etwas für die jüngste Person im Team, was bedeutet, dass man keine innovativen Leute in Führungspositionen hat.“

 

„Man kann junge Leute einstellen. Aber Innovation war meiner Erfahrung nach nie altersabhängig. Es geht um die Einstellung, dass man abenteuerlustiger und ehrgeiziger ist.” Aber diese Einstellung spiegelt sich nicht auf allen Social-Media-Auftritten von Medienmarken wider. „Nachrichtenorganisationen erstellen dort die gleiche Art von Inhalten wie immer. Das ist genau das Gegenteil von dem, was sie tun sollten. Nachrichtenorganisationen müssen sich auf vertikalen Videoplattformen mit einem unverwechselbaren Journalismus und mit exklusiven und originellen Inhalten präsentieren.“ Galer denkt dabei zum Beispiel an journalistische Recherchen, die von den Journalist:innen selbst erklärt werden.

 

Durch Individualität langfristige Ziele erreichen

 

„Einige Medienorganisationen glauben, sie hätten den Code für virale Videos entschlüsselt. Und viele von uns wissen auch, wie man so etwas erreicht, aber mit dieser Formel wirst du keine langfristigen Ziele erreichen. Denk zum Beispiel auch an den Aufbau einer Community.“

 

Auf die Frage, wie man solche langfristigen Ziele erreichen kann, antwortet sie: „Du fragst mich nach einer Art Formel, während ich von Formeln abrate. Das hängt von der jeweiligen Organisation ab.“ Wozu sie aber rät: mehr individuelle Journalist:innen auf TikTok.

„So bringt man junge Menschen mit dem Journalismus in Verbindung. Sie müssen die Menschen hinter den Geschichten sehen, und ich glaube fest daran. Und so baut man wiederum eine Gemeinschaft auf."

Außerdem sei es wichtig, eine Nische zu finden, sagt sie. „Sonst werden deine Videos nicht gesehen. Der Algorithmus zeigt den Zuschauern nur Videos an, die zu den Inhalten passen, die sie bereits gesehen haben.“ Es mache wenig Sinn für einen Kanal auf ein breites Themenspektrum zu setzen. „Wenn es doch funktioniert, liegt es an der Person, die das Video erstellt, denn diese Person hat einen Stil, den man erkennen und zu dem Konto zurückverfolgen kann.“ 

 

Für Spätstarter auf TikTok sieht sie wenig Chancen
 

Aber sollten Redaktionen, die derzeit nicht auf TikTok vertreten sind, die Plattform trotzdem nutzen? „Nein. Wenn sie dort noch nicht vertreten sind, haben sie nicht die richtige Einstellung. TikTok ist so übersättigt mit Nachrichteninhalten. Es ist zehnmal schwieriger für sie, zu wachsen, weil sie nicht früher damit angefangen haben. Aber die meisten Nachrichtenorganisationen sind dabei und deshalb kann ich so eine harte Aussage machen.“

 

Die Journalistin ist gespannt auf die Zukunft und neugierig auf verschiedene technologische Entwicklungen: „Ich freue mich auf mehr Journalismus im Vertical-Video-Format und den Einsatz künstlicher Intelligenz, um den Arbeitsprozess zu beschleunigen. Ich bin gespannt, wie wir beides miteinander kombinieren können.“ Sie glaubt auch, dass wir eine Zunahme von Nischenangeboten erleben werden. „Ich denke, das ist die Zukunft des Publikums, denn unsere Interessen sind zunehmend fragmentiert.“